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artistic media vision 228

jana.wisniewski@drei.at

Ein Buch zur Zeit: Metamorphosen von Herlinde Koelbl bei Steidl

Diese Fotokünstlerin hat immer wieder „aufgeweckt“ und den Zeichen der Zeit auf den Zahn gefühlt. Das Menschenbild war ihre Stärke, sei es in der Darstellung des Umfeldes, der Wohnräume, sei es ein Bild der Beziehungen, früh auch kompromisslos der sexuellen Beziehungen. In ihrem neuesten Buch zeigt sie werden und vergehen von Natur, vorwiegend pflanzliche Fundstücke, Ausschnitte aus dem Drama des Lebens. Es sprechen die Bilder, keine Theorie ist nötig.

Zur Jahreswende macht es Sinn, sich Künstlern zu widmen die über dem Tagesgeschehen stehen, sich nicht politisieren lassen, keine Angst haben vor dem Verlust an Aufmerksamkeit von den gerade aktuellen Meinungsmachern. Mit Gelassenheit und Humor können sie lange aktuell bleiben, wenn sie hinter die Eitelkeiten, Nöte und Irrtümer schauen, einen Fuß auf den Boden der Realität setzen. Was vor Jahren noch amüsante Zuspitzung war, ist heute Realität geworden.

Mit klarem Blick berichtet, wirkt Jetztzeit wie Kabarett. Übertreibung ist nicht nötig, das Tagesgeschehen ist irre genug.

Als „Nachrichten“ werden faustdicke Lügen serviert. Als Anhaltspunkt kann man die Geschichte nur mehr seitenverkehrt lesen. Als Drama werden kleine Übertretungen des herrschenden Geschmacks dargestellt, die echten Dramen verheimlicht, überspielt.

Viele Menschen ziehen sich zurück auf unmittelbar private, notwendige Dinge. Ein politischer Diskurs kostet viel Kraft und Emotion. Demokratie gibt es nicht mehr und die Fäden werden nicht vorwiegend in der Politik gezogen. Widerstand wird zum kreativen Spiel. Schaukämpfe sind schwer zu durchschauen. Sicher ist nur was sich andere Kanäle geschaffen hat. Zensur wird zunehmend enttarnt. Vernetzung geschieht immer wieder neu und Protestformen ändern sich. Intuition geht leichter wenn man den Aufregungszirkus meidet.